Der denkmalgeschützte Innenraum der Hedwigskathedrale, 1963 von Prof. Hans Schwippert geschaffen, seit 2018 geschlossen und im Zuge eines Radikalumbaus in Verantwortung von Erzbischof Koch zerstört.

Montag, 8. September 2014

Ein Streiter gegen "Museumswächter" zog weiter

Mit einem Seitenhieb auf die Gemeindemitglieder, die an einer ergebnisoffenen Diskussion über die Gestalt ihrer Bischofskirche interessiert gewesen wären, schloss der scheidende Erzbischof die Predigt bei seinem Abschiedsgottesdienst am 7. September 2014.


Das Leitmotiv für die im Erzbistum anstehenden Aufgaben – Abriss

07.09.2014 _Kardinal Woelki nimmt beim Abschied von Berlin gute Wünsche entgegen
Aus dem 25-jährigen Jubiläum des Mauerfalls leitete der Kardinal seine Metapher für die anstehenden Aufgaben des Erzbistums ab. So zählte er auf, was abzureißen wäre – all die Mauern in den Köpfen und zwischen den Menschen.
Das Bild wirkte jedoch unglücklich gewählt, wenn man an die sogenannte "Renovierung" der St. Hedwigs-Kathedrale dachte. Denn auch hier hat der bei seinem Zwischenaufenthalt in Berlin zum Kardinal Erhobene dem Erzbistum den Plan zu einem Abriss hinterlassen.
Doch in der Predigt fügte er den von ihm ausgelösten Abriss des denkmalgeschützten Innenraums nicht in die Reihe des notwendigerweise Abzureißenden ein.


Die Beleidigung von Gläubigen als Pointe einer Abschiedspredigt

Stattdessen wurde erst am Ende der bis dahin erbaulichen Predigt das Thema des Kathedralumbaus angerissen. Nach einem allgemeinen Aufruf zu Mut und Durchhaltevermögen war denn auch Schluss mit rheinischer Freundlichkeit.
Kritiker des unnötigen Komplettumbaus der denkmalgeschützten St. Hedwigs-Kathedrale wurden kurzerhand als "Museumswächter" diffamiert, die nur rückwärtsgewandt denken würden. Dieser substanzlose, nur von Polemik bestimmte Angriff auf Andersdenkende hat der Schlusspredigt und dem Abschied des Kardinals einen bitteren Beigeschmack verliehen.


Mitwirkung der Gemeinde?

Zudem war es schlichtweg falsch, wenn in der Predigt davon gesprochen wurde, dass die Gläubigen an allen Entscheidungen mitgewirkt hätten. Der Wettbewerb zur Gestaltung der Kathedrale wurde jedenfalls ohne Mitwirkung der Eigentümerin, der Domgemeinde St. Hedwig, vorbereitet und durchgeführt. Der Pfarrgemeinderat kannte nicht einmal den Auslobungstext des Wettbewerbs und wurde über die Zwischenschritte nicht informiert. 
Bedenken gegen den unnötigen Umbau, die von Gläubigen beim Erzbistum Berlin sogar schriftlich vorgebracht wurden, sind vom Domprobst Rother in Antwortschreiben als abweichende Einzelmeinung abgetan worden.


Die "Einzelmeinungen" gegen Teilabriss und Komplettumbau häufen sich 

Dagegen sollte nun die Frage anders gestellt werden. 
Wie viele Befürworter der vorliegenden Umbaupläne würden sich unter Fachleuten finden, die nicht in Abhängigkeit von denen stehen, die den Wettbewerb initiierten oder aus der Umsetzung eines Umbaus Profit schlagen würden?
Der offene Brief an den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, der zur Verhinderung der Teilzerstörung der St. Hedwigs-Kathedrale aufruft, ist von einer Vielzahl hochrangiger Denkmalpfleger, Theologen und Liturgiewissenschaftler unterstützt worden.
Offener Brief an den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz.pdf

Die nun eingetretene Vakanz auf dem Bischofsstuhl gibt dem Berliner Erzbistum Gelegenheit, die bisher verdrängte Diskussion mit den Gläubigen aufzunehmen. Eine Kommunikation mit dem Kirchenvolk, die bislang nur in Form von Pressemitteilungen und Predigten stattfand, sollte einem christlichen Miteinander beim Streben nach der angemessenen Lösung weichen. Informative Gespräche zwischen Gläubigen und Fachleuten über Für und Wider des prämierten Wettbewerbsentwurfs wären eine Voraussetzung zur Meinungsbildung. 
Was haben 19 Personen an einem Sommertag im Jahre 2014 für die Zukunft der Kathedrale beschlossen? Wenn der erwählte Entwurf so genialisch sein sollte, ein Jahrhundertwurf gar, dann kann man ohne Scheu seine offensichtlichen funktionalen und räumlichen Mängel besprechen.

"Museumswächter" oder Bilderstürmer

Doch bei genauerer Kenntnis wird auch vielen Laien die Ausdruckslosigkeit und Beliebigkeit auffallen, die den Siegerentwurf mit etwaigen Konferenz- und Landtagssälen verwechseln lässt.
An die Einzigartigkeit und kraftvolle Wirkung der jetzt noch intakten Raumgestaltung Schwipperts in unserer Kathedrale wird die geplante Mehrzweckhalle niemals heranreichen.
Bedarfsgerechte Sanierung, originale geschwungene Kirchenbänke und eine neue Sakristei, um den kleinen Kuppelbau als Sakralraum nutzen zu können – viel mehr braucht es nicht in Zeiten mit wichtigeren Herausforderungen, als einem Hauptstadt-Lifting der Kathedrale.
Lieber eine wertvolle komplexe Raumschöpfung bewahren, als einem blassen, platten Plenarsaal das Wort reden, um der Mode der Saison zu folgen.
Dafür lassen sich die Gläubigen, denen die St. Hedwigs-Kathedrale am Herzen liegt, sogar vom davonziehenden Kardinal als "Museumswächter" beleidigen.

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