Der denkmalgeschützte Innenraum der Hedwigskathedrale, 1963 von Prof. Hans Schwippert geschaffen, seit 2018 geschlossen und im Zuge eines Radikalumbaus in Verantwortung von Erzbischof Koch zerstört.

Dienstag, 30. September 2014

Die Woelki-Arena – ein Denkmal für den hohen Gast

Große Herren hinterlassen Monumente, schenken dem Volk ihre gebauten Visionen.
Die Untergebenen können es ihnen nur mit Ehrenbezeugungen danken.

Friedrich der Große
der Initiator des Baus der St. Hedwigskirche, 
wurde in der Widmung über dem Portikus 
in goldener Schrift verewigt.

Dann sollte der Auslöser des geplanten Umbaus der Kathedrale,
der sie in emotionslosen Formen der Mode der Zeit anpassen will,
für seine zu erwartende Hinterlassenschaft in Berlin
mit einer neuen Bezeichnung seines Werks benannt bleiben:
Woelki-Arena

So könnte die Erinnerung an den hohen Gast, 
der für eine bemessene Zeit in Berlin weilte 
und nun seiner wahren Bestimmung in der heiligen Stadt Köln folgt, 
einen Schimmer seines Glanzes auf die Zurückgebliebenen werfen.
Die Anregung zu dem treffenden Namen, der den Entwurf so bildhaft beschreibt, ist einem Artikel des Tagesspiegels zu verdanken, der das Wettbewerbsergebnis reflektierte. Gott-in-der-Arena_Hedwigskathedrale-in-Berlin_Tagesspiegel
Blick in das Modell zum Siegerentwurf des Umbauwettbewerbs

Die Analogie bei den Großen

Im direkten Nebeneinander dieser großen Namen würde die frappante Verwandtschaft
der Leitungsstrukturen in ihren jeweiligen Tätigkeitsfeldern offenbar werden.
"Der aufgeklärte Absolutismus im 18. Jahrhundert …   
Der aufgeklärte Herrscher regiert als "erster Diener des Staates" seine Untertanen nach vernünftigen Prinzipien ("Nichts durch das Volk, alles für das Volk!"). Durch "Revolution von oben" entsteht der absolutistische Staat mit moderner Bürokratie und geordnetem Rechtswesen." (H. Kinder und W. Hilgemann; dtv-Atlas Weltgeschichte, Band 1; Deutscher Taschenbuch Verlag; 32. Auflage 1998)
Das Fürstliche der klerikalen Hierarchie erinnert heute, in der demokratischen Gesellschaft
des 21. Jahrhunderts, an gute alte Zeiten. Vorgegebene Richtlinien wirken auf manche halt gebend, behütend und das Gewissen entlastend. 
Um dem Nostalgischen dieser Leitungsstruktur das Altbackene zu nehmen, wird von den Leitenden auf modisches Ambiente wert gelegt. 


Moderner Kirchenbau allein macht die Kirche noch nicht besser
(Bischöfliche Privatkapelle im Haus des Bischofs von Limburg)

Dazu dienen neue Formen, "von oben" angestoßen, aber vermeintlich "für das Volk" mit Instrumenten moderner Bürokratie (Wettbewerb) durchgesetzt. 
So fühlt sich das lauschende Kirchenvolk in eine zukunftsorientierte Gegenwart versetzt.
Was hilft es jedoch, in unmittelbarer Nähe des Entscheiders sitzen zu dürfen, wenn nur dessen Stimme zu hören ist und immer zähltSo kann ein verordneter Stuhlkreis auf gleicher Höhe wesentlich trennender wirken, als ein erhöhter Bischofsstuhl. Angesichts der offensichtlichen feudalen Verhältnisse, erscheint die verbrüdernde Attitüde eines verfügten neuen Looks vielleicht etwas abgeschmackt.

Sponsoring des Ostens für den Ruhm ?

An der Geldknappheit des ostdeutschen Erzbistums könnte die Umsetzung der 
modischen bischöflichen Vision scheitern. Was wäre, wenn die Katholiken (zusätzlich zu ihren Kirchensteuern) lieber für sozial Sinnvolles als für den "historischen Fußabdruck" eines Kirchenfürsten ihr Geld geben würden? 

Die Spenden der Gläubigen, die den Umbau mitfinanzieren sollen, sind eine rudimentäre Form demokratischer Mitsprache. Da sei Gott vor! Dann müssen die Ostdeutschen eben mit ein paar dutzend Millionen Euro zu ihrem "Glück" gezwungen werden. Das hat Kardinal Woelki bei der Rückkehr in seine Heimat in der Kölner Kirchenzeitung mit jovialem Wohlwollen und blumiger Umschreibung so ausdrücken lassen:

"Unterstützung für Kirche im Osten
Bei allem Blick in seine Kölner Zukunft sorgt sich Woelki weiter auch um sein bisheriges Hauptstadtbistum. Besonders liegt ihm die Präsenz der Katholiken und der geplante Umbau der St.-Hedwigs-Kathedrale am Herzen. Dazu möchte er die relativ kleine und arme Kirche im Osten künftig von der betuchteren Kölner Erzdiözese aus unterstützen – und für die Idee auch andere Bistümer gewinnen. Der Neu-Kölner bleibt also ein bisschen ein Berliner." (Kirchenzeitung für das Erzbistum Köln; Ausgabe 29/30 vom 18.07.2014, "Zurück in der Heimat"; letzter Abschnitt auf Seite 4)   Kirchenzeitung-Köln_2014_29-30.pdf

Freitag, 26. September 2014

Lange Fehlerliste, viel Abriss – kaum Gestaltung

Nüchtern besehen – was vom Wettbewerb übrig blieb

Nachdem sich der mediale Trubel um den Wettbewerb und den ehemaligen Erzbischof gelegt hat, sollte das Ergebnis sachlich auf seinen Gehalt hin betrachtet werden.
Nehmen wir einmal an, der Siegerentwurf würde tatsächlich ausgeführt:

Abbruchunternehmer hätten viel zu tun: 
Damit der Fußboden einheitlich flach gemacht werden kann und alles Farbige 
und Klangvolle verschwindet, muss viel abgebrochen und entsorgt werden:
  • Altarinsel mit Stufen und Balustraden, 
  • Geländer aus Kristallglas und Kupfer, 
  • Altar, Stipes, Kathedra, Treppen und radial verlegte Bodenplatten – alles aus anthrazitfarbenem, weiß geaderten Kapfenberger Marmor
  • Farbige künstlerische Verglasung aller Fenster (weicht neuem Klarglas)
  • Große Klais-Orgel von 1977, restauriert 1997 (kommt weg, weil sie nicht ins neue Bild passt. Sie könnte andernorts nachgenutzt werden, da sie hervorragend klingt – sonst Verschrottung)
Betonbauer schalen, bewehren und gießen eine ausgedehnte Stahlbetondecke, 
die zweifellos sehr groß, dafür aber schön gleichförmig und vollflächig eben ist.

Fußbodenleger freuen sich über die einförmig glatte Fläche von bauökonomisch einträglicher Größe.

Maler benötigen zwar große Gerüste, brauchen aber keine Farben mischen 
– alles wird monoton weiß.

Stuhlhersteller sehen einem unverhofft großen Auftrag einheitlich uniformer Objekte entgegen. 

Fertig !?
Das war es auch fast schon. Mehr Gestaltung ist im großen Kuppelraum kaum zu erwarten. 
Bis auf etliche Fehler im Siegerentwurf.


Ergebnis nach Abbruch, Betonbau, Fußbodenaufbau und Stuhlaufstellung im Modell
– was von der St. Hedwigs-Kathedrale zu Berlin im Falle eines Umbaus übrig bliebe

Die Fehlerliste des Preisgerichts

Das Übrige des Entwurfs hat schon die Jury des Wettbewerbs als schlecht bewertet.
In einer Liste wurden für alle Fehler dringend nötige Korrekturen verlangt. 
Witzigerweise beginnt die lange Mängelliste des Preisgerichts mit dem Wort "einzig":  
"Einzig die Ausformulierung der engen Treppenröhre unter dem Chor wird kritisch gesehen, zudem ist die vorgesehene Fläche für den Chor zu klein. Bei einer möglichen Überarbeitung sollte die Orgel an dem Ort und in der Lage so bleiben, wo sie ist, und damit kann der Raum unter der Orgel zusammen mit dem Aufgang aus der Unterkirche neu überdacht werden. Der Sektor vor der Orgel könnte dann für das Chorpodest, mit variablen Podien, und für das Orchester genutzt werden."
(Protokoll des Preisgerichtes der 2. Phase vom 30.07.2014; Offener Realisierungswettbewerb mit Ideenteil – Neugestaltung des Innenraums und des baulichen Umfeldes)
Statt "einzig", "zudem", "sollte", "neu überdacht" und "könnte" zu fabulieren
– folgt hier der Inhalt der Rüge der Wettbewerbsjury übersichtlich in einer Liste.

Die Jury bemängelt ausdrücklich im Protokoll des Preisgerichts:

  1. die enge Treppenröhre unter dem Chor
  2. die vorgesehene Fläche für den Chor als zu klein
  3. Ort und Lage der Orgel (sollte entgegen geplantem Orgelneubau so bleiben !)
  4. den Raum unter der Orgel (neu überdenken !)
  5. den Aufgang aus der Unterkirche (neu überdenken !)
  6. den fehlenden Platz für Chorpodest und Orchester (bei Überarbeitung schaffen !)

Was erwartet einen Entwurf, der eine so hohe Anzahl von Fehlern aufweist ?

– Bingo !  

der erste Preis !
Modell einer Fläche mit vielen Stühlen
Wenn das Niveau des gesamten Wettbewerbs so schlecht war, dass ein derart fehlerbehafteter Entwurf als bester übrig blieb, wäre mediale Zurückhaltung klug gewesen. Es hätten zur ehrenhaften Abwicklung des ertragsarmen Verfahrens lediglich Preisgelder für Anerkennungen und zweite oder dritte Preise vergeben werden können. 
Ideen und Lösungsansätze einzelner Beiträge wären zu qualifizierterer Meinungsbildung im Erzbistum nutzbar gewesen. Aber breitere Abstimmung war nicht bezweckt. Stattdessen entstand mit der Vergabe des ersten Preises für einen fehlerhaften Beitrag das einklagbare Recht auf den Umbauauftrag für den Sieger des Realisierungswettbewerbs. 
Das sind schlechte Aussichten für die Kathedrale. 
Aber noch gilt das staatliche Recht des Denkmalschutzes, um unnötige Veränderung nach aktuellem Belieben zu verhindern, denn eine zwingende Notwendigkeit für derart massiven Umbau besteht nicht.

Freitag, 19. September 2014

"Normalzentralität" und ein Haus für alle Götter

Was wünschen die Gläubigen zu finden, wenn sie eine katholische Kirche aufsuchen? 

–  Normalzentralität  –  wie die Jury des Wettbewerbs entschied ?


War es wirklich das Ziel der Katholiken des Erzbistums Berlin "… der Kirche eine immer wieder vermisste „Normalzentralität“ zu geben …"?
Im Statement des Jury-Vorsitzenden Kaspar Krämer vom 1. Juli 2014 zur Wettbewerbsentscheidung ist solches zu lesen:
"Der von der Jury mehrheitlich befürwortete Entwurf sieht daher auch vor, diese Öffnung zu schließen und der Kirche eine immer wieder vermisste „Normalzentralität“ zu geben, und sie damit zu einem Gotteshaus werden zu lassen, das sich mit dem liturgisch geforderten Gestaltungsanspruch unserer Zeit würdig in die Vergangenheit einreiht und die Tradition des Sakralbaus fortschreibt."
"immer wieder vermisst" – von wem denn?

Normalzentralität

Ist dies ein Begriff aus einer EU-Verordnung zur Gestaltung katholischer Bischofskirchen?
Wie ist dieses bürokratische Wortungetüm im Zusammenhang mit einer Kirche zu deuten? 


Kathedrale wird zu Friedrichs Tempel

Der philosophisch gebildete Preußenkönig Friedrich, dem Berlin die Hedwigskirche verdankt, würde sich vermutlich köstlich amüsieren. Nach 240 Jahren hat sich sein aufklärerischer Geist gegen die Theologie durchgesetzt. Aus einer katholischen Kirche soll wieder ein Pantheon werden und zwar ganz ohne Zwang von König oder Staatsmacht. 

Das Pantheon ist nach seiner altgriechischen Wortbedeutung ein allen Göttern geweihtes Heiligtum. Ein meist runder ungeteilter Zentralbau an dessen Wandinnenseite, in Nischen oder zwischen Säulen, Statuen diverser Gottheiten stehen. Womöglich wurde in der Antike zeitweise ein aktuell entscheidendes Götterbild zur besonderen Verehrung in das Zentrum gerückt.


St. Hedwigs-Kirche um 1750 (Stich von Schleuen)  – ohne Laterne mit Kuppelöffnung wie beim Vorbild, dem Pantheon zu Rom

Der praktisch veranlagte alte Fritz genehmigte den katholischen Zuwanderern ins protestantische Brandenburg, die aus dem zuvor von Österreich erbeuteten Schlesien kamen, so ein vielseitig verwendbares Gebäude. Man weiß ja nie, ob sie vielleicht konvertieren oder überhaupt im Land bleiben. Als städtebaulicher Baustein im Forum Fridericianum war der antike Tempel jedenfalls nützlich. 
Zur Baugeschichte des Forum Fridericianum (aus einem Vortrag von Horst Bredekamp, s. Link):  "Ab 1747 kam aber die Errichtung der Hedwigskirche hinzu, die dem Wunsch Friedrichs des Großen entsprechend das römische Pantheon nach Berlin zitieren sollte. Mit diesem Tempel verband sich die Idee der Toleranz: ”Tempio di tutti li Dei“ (Kirche aller Götter), wie es auf einer Radierung des Pantheon heißt, die Piranesi ein Jahr zuvor veröffentlicht hatte. Es war ein Coup besonderer Art, an diesem Ort eine katholische Kirche zu errichten, die mit St. Hedwig auch die Schutzpatronin des eroberten Schlesien repräsentierte und auf diese Weise die Besiegten durch Ehrung zu integrieren suchte." Skizzen zur Architekturgeschichte _Bredekamp, Horst
Es blieb der Pfarrgemeinde überlassen, wie sie mit dem Geschenk im Inneren umgeht. Bislang war es der Glaubensgemeinschaft in der brandenburgischen Diaspora gelungen, den Innenraum zu einem katholischen Gotteshaus zu formen. Nun beginnt das Danaergeschenk Friedrichs seine subversive Wirkung zu entfalten ("Was immer es ist, ich fürchte die Danaer, selbst wenn sie Geschenke bringen." So  lässt Vergil  in seiner Aeneis den Priester Laokoon vor dem Trojanischen Pferd warnen.)
Die ehemalige Hedwigskirche und jetzige Kathedrale soll wieder zum antiken Tempel werden, wie sie Friedrich der Große als Pantheon errichten ließ.


Banale Leere mangels theologischen Programms

Was brachte der Wettbewerb? Welche theologische Auffassung bei der Nutzung der leergeräumten Halle unter dem Kuppeldach vertreten wird, hängt nur von der Anordnung der Stühle auf dem niveaugleichen Fußboden ab. 
Alles ist möglich, nichts ist bestimmt – eine nichts sagende Gestaltung.
Eine flexible und vielfältig bespielbare Halle
soll aus der St. Hedwigs-Kathedrale werden
Die banale Leere des Siegerentwurfs resultiert aus dem Fehlen theologischer Inhalte. 
(Auch Kritiker des Bestandes werden dagegen die spirituelle Tiefe von Schwipperts Raumschöpfung, die die Gläubigen inspiriert, anerkennen und später vermissen).

Doch zu viel Kirchliches könnte in einer geplanten inoffiziellen 
"Botschaft der katholischen Kirche in der Bundeshauptstadt Deutschlands
wichtige Gäste irritieren und dem medialen Image schaden.

Montag, 8. September 2014

Ein Streiter gegen "Museumswächter" zog weiter

Mit einem Seitenhieb auf die Gemeindemitglieder, die an einer ergebnisoffenen Diskussion über die Gestalt ihrer Bischofskirche interessiert gewesen wären, schloss der scheidende Erzbischof die Predigt bei seinem Abschiedsgottesdienst am 7. September 2014.


Das Leitmotiv für die im Erzbistum anstehenden Aufgaben – Abriss

07.09.2014 _Kardinal Woelki nimmt beim Abschied von Berlin gute Wünsche entgegen
Aus dem 25-jährigen Jubiläum des Mauerfalls leitete der Kardinal seine Metapher für die anstehenden Aufgaben des Erzbistums ab. So zählte er auf, was abzureißen wäre – all die Mauern in den Köpfen und zwischen den Menschen.
Das Bild wirkte jedoch unglücklich gewählt, wenn man an die sogenannte "Renovierung" der St. Hedwigs-Kathedrale dachte. Denn auch hier hat der bei seinem Zwischenaufenthalt in Berlin zum Kardinal Erhobene dem Erzbistum den Plan zu einem Abriss hinterlassen.
Doch in der Predigt fügte er den von ihm ausgelösten Abriss des denkmalgeschützten Innenraums nicht in die Reihe des notwendigerweise Abzureißenden ein.


Die Beleidigung von Gläubigen als Pointe einer Abschiedspredigt

Stattdessen wurde erst am Ende der bis dahin erbaulichen Predigt das Thema des Kathedralumbaus angerissen. Nach einem allgemeinen Aufruf zu Mut und Durchhaltevermögen war denn auch Schluss mit rheinischer Freundlichkeit.
Kritiker des unnötigen Komplettumbaus der denkmalgeschützten St. Hedwigs-Kathedrale wurden kurzerhand als "Museumswächter" diffamiert, die nur rückwärtsgewandt denken würden. Dieser substanzlose, nur von Polemik bestimmte Angriff auf Andersdenkende hat der Schlusspredigt und dem Abschied des Kardinals einen bitteren Beigeschmack verliehen.


Mitwirkung der Gemeinde?

Zudem war es schlichtweg falsch, wenn in der Predigt davon gesprochen wurde, dass die Gläubigen an allen Entscheidungen mitgewirkt hätten. Der Wettbewerb zur Gestaltung der Kathedrale wurde jedenfalls ohne Mitwirkung der Eigentümerin, der Domgemeinde St. Hedwig, vorbereitet und durchgeführt. Der Pfarrgemeinderat kannte nicht einmal den Auslobungstext des Wettbewerbs und wurde über die Zwischenschritte nicht informiert. 
Bedenken gegen den unnötigen Umbau, die von Gläubigen beim Erzbistum Berlin sogar schriftlich vorgebracht wurden, sind vom Domprobst Rother in Antwortschreiben als abweichende Einzelmeinung abgetan worden.


Die "Einzelmeinungen" gegen Teilabriss und Komplettumbau häufen sich 

Dagegen sollte nun die Frage anders gestellt werden. 
Wie viele Befürworter der vorliegenden Umbaupläne würden sich unter Fachleuten finden, die nicht in Abhängigkeit von denen stehen, die den Wettbewerb initiierten oder aus der Umsetzung eines Umbaus Profit schlagen würden?
Der offene Brief an den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, der zur Verhinderung der Teilzerstörung der St. Hedwigs-Kathedrale aufruft, ist von einer Vielzahl hochrangiger Denkmalpfleger, Theologen und Liturgiewissenschaftler unterstützt worden.
Offener Brief an den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz.pdf

Die nun eingetretene Vakanz auf dem Bischofsstuhl gibt dem Berliner Erzbistum Gelegenheit, die bisher verdrängte Diskussion mit den Gläubigen aufzunehmen. Eine Kommunikation mit dem Kirchenvolk, die bislang nur in Form von Pressemitteilungen und Predigten stattfand, sollte einem christlichen Miteinander beim Streben nach der angemessenen Lösung weichen. Informative Gespräche zwischen Gläubigen und Fachleuten über Für und Wider des prämierten Wettbewerbsentwurfs wären eine Voraussetzung zur Meinungsbildung. 
Was haben 19 Personen an einem Sommertag im Jahre 2014 für die Zukunft der Kathedrale beschlossen? Wenn der erwählte Entwurf so genialisch sein sollte, ein Jahrhundertwurf gar, dann kann man ohne Scheu seine offensichtlichen funktionalen und räumlichen Mängel besprechen.

"Museumswächter" oder Bilderstürmer

Doch bei genauerer Kenntnis wird auch vielen Laien die Ausdruckslosigkeit und Beliebigkeit auffallen, die den Siegerentwurf mit etwaigen Konferenz- und Landtagssälen verwechseln lässt.
An die Einzigartigkeit und kraftvolle Wirkung der jetzt noch intakten Raumgestaltung Schwipperts in unserer Kathedrale wird die geplante Mehrzweckhalle niemals heranreichen.
Bedarfsgerechte Sanierung, originale geschwungene Kirchenbänke und eine neue Sakristei, um den kleinen Kuppelbau als Sakralraum nutzen zu können – viel mehr braucht es nicht in Zeiten mit wichtigeren Herausforderungen, als einem Hauptstadt-Lifting der Kathedrale.
Lieber eine wertvolle komplexe Raumschöpfung bewahren, als einem blassen, platten Plenarsaal das Wort reden, um der Mode der Saison zu folgen.
Dafür lassen sich die Gläubigen, denen die St. Hedwigs-Kathedrale am Herzen liegt, sogar vom davonziehenden Kardinal als "Museumswächter" beleidigen.

Freitag, 5. September 2014

Preisrichterin mit vorgefasstem Urteil in der Jury?

"Das klassizistische Gebäude ist durch den Wiederaufbau nach dem Krieg komplett verhunzt worden. Inzwischen steht aber der Wiederaufbau selbst – mit einem völlig hanebüchenen Loch in der Mitte – schon wieder unter Denkmalschutz." 

Prof. Dr. Barbara Schock-Werner
Prof. Dr. Barbara Schock-Werner,  2013



So äußerte sich am 28. 08. 2012 die scheidende Kölner Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner zur St. Hedwigs-Kathedrale zu Berlin in einem Interview des Kölner Stadt-Anzeigers. (Interviewausschnitt und Links – auch zum Foto des Artikels des Kölner Stadt-Anzeigers –  s. Anhang)

Den diffamierende Ton dieser abschätzigen Botschaft könnte man der räumlichen und thematischen Entfernung einer Pensionistin aus Köln zugute halten, die zu einer denkmalgeschützten Architektur in Berlin wenig Bezug hat.
Doch kaum 15 Monate später ließ sie sich als Fachpreisrichterin für den vom Erzbistum Berlin ausgelobten Wettbewerb zu eben diesem von ihr verunglimpften Baudenkmal nominieren. Siehe dazu den Ausschnitt aus der Auslobung 
(Auslobung, Teil A Verfahrensbedingungen, 4.4. Preisgericht, Sachverständige, S. 20):
Auslobung
Offener Realisierungswettbewerb mit Ideenteil Neugestaltung des Innenraums und des baulichen Umfeldes St. Hedwigs-Kathedrale Berlin

4.4. Preisgericht, Sachverständige
Das Preisgericht wurde in folgender Zusammensetzung gebildet und vor der endgültigen Abfassung der Auslobungsbedingungen gehört:
 
Fachpreisrichter
1.    …10.  Frau Prof. Dr. Barbara Schock-Werner, Architektin, Kunsthistorikerin, Denkmalpflegerin, Köln  

Aufgabe der Fachpreisrichter

In den Auslobungsbedingungen, zu denen also alle infrage kommenden Mitglieder des Preisgerichts vorab Stellung nehmen konnten, gehörte die in der Präambel formulierte Forderung: 
"Denkmalpflegerische und ökonomische Belange sind angemessen zu berücksichtigen." (Auslobung, Präambel, S. 13)

Das einleitende Zitat, der als Architektin, Kunsthistorikerin und Denkmalpflegerin in der Liste der Fachpreisrichter firmierenden Professorin aus Köln macht dagegen deutlich, dass sie die Entscheidung der Landesdenkmalbehörde Berlin missbilligt, die Raumschöpfung Schwipperts unter Denkmalschutz gestellt zu haben. 
Abweichende private Meinungen stehen natürlich jedem frei. 
Doch sollten nicht gesetzliche Festlegungen zum Denkmalschutz mit Respekt behandelt werden, die in demokratischen Verfahren nach Landesrecht getroffen worden sind?
Die Äußerung Schock-Werners klingt nicht danach:
"Das klassizistische Gebäude ist durch den Wiederaufbau nach dem Krieg komplett verhunzt worden. Inzwischen steht aber der Wiederaufbau selbst – mit einem völlig hanebüchenen Loch in der Mitte – schon wieder unter Denkmalschutz." (B. Schock-Werner in dem Interview im Kölner Stadt-Anzeiger vom 28.08.2012)

War die Fachpreisrichterin unvoreingenommen und nicht befangen?

Wenn die Kölnerin den gesetzlichen Denkmalschutz für den Innenraum der Berliner St. Hedwigs-Kathedrale ablehnt, konnte sie nicht im Sinne der Auslobung das Preisrichteramt ausüben, da ein offensichtlicher Dissens zu den geltenden Berliner Denkmalschutzbestimmungen bestand. Mit ihrer Vorverurteilung vermochte sie nicht als unbefangene Preisrichterin zu wirken, die die "denkmalpflegerischen Belange" berücksichtigt. Das Berufsethos hätte die Ablehnung der Nominierung gebieten müssen, wenn man nicht vorurteilsfrei und objektiv prüfen und urteilen kann.

Was hat die ehemalige Kölner Dombaumeisterin dennoch bewogen, 
dem Ruf des ehemaligen Kölner Weihbischofs Woelki zu folgen und trotz Befangenheit als Fachpreisrichterin zu fungieren?
War es nur alte Kölner Verbundenheit oder die vom Auslober gewünschte Gewissheit, eine sichere Stimme für die Abschaffung des Denkmalschutzes zu installieren?
Das klüngelt, pardon, klingt in Berlin vielleicht ungewöhnlich, wäre aber einmal zu hinterfragen.


Ist das Wettbewerbsverfahren korrekt abgelaufen?

So stellt sich bei genauer Betrachtung des als ordnungsgemäß und korrekt dargestellten Verfahrens unausweichlich die Frage, ob dieser offenen Realisierungswettbewerb sicher vor Manipulationen abgelaufen ist.

Beim Blick auf die Abstimmungsergebnisse zeigt sich die überraschende Einmütigkeit der Preisrichter, die an Jahrzehnte zurückliegende politische Wahlergebnisse im Ostteil der Stadt erinnert.(s. Protokoll des Preisgerichts, S. 12 und S. 20)
Wettbewerb_St.Hedwigs-Kathedrale_Protokoll_Preisgericht_09.07.2014.pdf

Das die Abstimmungen fast wie geschmiert abliefen, liegt womöglich an der vorausschauenden Sorgfalt, die der Auslober bei der Zusammenstellung des Preisgerichts hat walten lassen, nicht nur bei der Berufung der ehemaligen Kölner Dombaumeisterin.


Eine genaue Prüfung von Verfahren und Ergebnis des Wettbewerbs ist dringend erforderlich!

Neben dem dürftigen und fehlerhaften prämierten Ergebnis (s. dazu andere diesbezügliche Beiträge dieses Blogs und in der Presse) mit seinen Widersprüchen zur Auslobung sind also auch Zweifel an der ordnungsgemäßen Durchführung des Wettbewerbsverfahrens angebracht.

Das ist ein weiterer Grund, sich dem offenen Brief an den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz anzuschließen, in dem bedeutende Kunst- und Liturgiewissenschaftler sowie verantwortliche Denkmalpfleger aus ganz Deutschland eine Prüfung und Diskussion der radikalen, aber entbehrlichen Umbaupläne fordern, um die sich abzeichnende Fehlentwicklung zu verhindern. Der Abriss des intakten Innenraums ist unnötig (sowohl bautechnisch als auch funktional) und denkmalpflegerisch abzulehnen, da keine liturgisch zwingenden Gründe für derartige Veränderungen bestehen.

(s. dazu "Offener Brief an den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Kardinal Marx")
Offener Brief an den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz.pdf


Anhang _Zitate und Links

Ausschnitt aus dem o. g. Interview mit Frau Prof. Dr. Barbara Schock-Werner im Kölner Stadt-Anzeiger vom 28.08.2012

Kardinal Woelki, der ja aus Köln stammt, möchte gern die Berliner Hedwigskathedrale sanieren. Eine Aufgabe für Sie?

SCHOCK-WERNER: Reizen würde mich das. Das klassizistische Gebäude ist durch den Wiederaufbau nach dem Krieg komplett verhunzt worden. Inzwischen steht aber der Wiederaufbau selbst – mit einem völlig hanebüchenen Loch in der Mitte – schon wieder unter Denkmalschutz. Also, das ist ein richtig heißes Eisen.



Auf die in diesem Interview erfolgte Verunglimpfung der bestehenden St. Hedwigs-Kathedrale durch Frau Prof. Dr. Barbara Schock-Werner hatte bereits während des Wettbewerbsverfahrens Georg Mörsch in seinem Artikel vom 25.02.2014 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung hingewiesen. Auf diesen erhellenden Beitrag des emeritierten Ordinarius für Denkmalpflege der ETH Zürich wird auch im Pressespiegel des o. g. offenen Briefes an den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz verwiesen.
Der Zeitpunkt der Veröffentlichung des Diskussionsbeitrags von Prof. Mörsch hätte der voreingenommenen designierten Preisrichterin Schock-Werner Gelegenheit geboten, sich rechtzeitig und ehrenvoll von dem für sie unpassenden Amt zurückzuziehen.
(Es ist wohl davon auszugehen, dass sie von dem Artikel in der FAZ erfahren hat.)
Leider tat sie es nicht. Deshalb sollte man darauf hinweisen und darüber diskutieren.

Der Artikel "Eine kaum verhohlene Verunglimpfung" von Georg Mörsch in der FAZ vom 25.02.2014 findet sich unter folgendem Link, wenn die Seite 3 zum Download angeklickt wird.

Mörsch, Georg; FAZ_25.02.2014_Eine kaum verhohlene Verunglimpfung.pdf


Siehe dazu auch den Artikel von Giuseppe Pitronaci, der zuerst in der "Bauwelt" vom 16.05.2014 unter dem Titel – "Komplett verhunzt". St. Hedwigs-Kathedrale in Berlin – veröffentlicht wurde und nun unter "kunsttexte.de" der Humboldt-Universität zu Berlin in leicht veränderter Fassung abrufbar ist.

Pitronaci-Giuseppe_edoc.hu-berlin.de/kunsttexte/2014-2.pdf