Hedwig mit Haarnetz?
Vor dem unnötigen Umbau nannten viele Berliner Katholiken ihre Kathedrale liebevoll "Tante Hedwig". Allerdings nicht wegen ihres Alters, sondern weil sie liebenswert und behütend war. Seit Jahren wurden ihr von den neuen kirchlichen Besitzern Wunden geschlagen. Nun sieht die kranke "Tante Hedwig" auch noch alt aus: Sie ist ganz bleich und braucht jetzt ein Haarnetz.
Beim Berliner "Festival of Lights" schauten sich Tausende Schaulustige die angestrahlten Gebäude rund um den Bebelplatz an. Zur allgemeinen Verwunderung zeigte sich die seit Jahren verschlossene Hedwigskathedrale von einem Netz überzogen. Soll es ein Haarnetz für Hedwig sein oder wird sie mittlerweile von Spinnweben bedeckt?
Beim Berliner "Festival of Lights" zeigte sich Sankt Hedwig mit Haarnetz und sah alt aus. |
Sankt Hedwigs Leidensgeschichte
Man hat der ehemaligen Hedwigskathedrale arg mitgespielt. Fremde Herren aus dem Rheinland haben sich ihrer bemächtigt und sie malträtiert. Sie raubten ihr krönendes Kreuz, entstellten ihr Gesicht und zerschlugen ihr Inneres. Dann kaschierten sie ihr ruinöses Skelett mit Gipskarton und Pappmaschee, doch sie bleibt zerschunden und ausgeblichen.
Mehr als sechs Jahre ist es her, dass Erzbischof Koch die Kathedrale schloss und die Gläubigen aussperrte. Kaum jemand erinnert sich, dass hier einmal ein Gotteshaus war, in dem Christen sich versammelten und gemeinsam beteten.
Zum Zeichen der Verwahrlosung ist mittlerweile auch das Innere der Baustelle mit Gespinsten überzogen, wie von Spinnen gewebt. Das skurrile Netzmuster
wuchert sowohl auf der nachträglich
nutzlos eingezogenen Innenkuppel, als auch an der absperrenden Betondecke der unterirdischen Gruft, in deren Mitte ein Tauchbecken auf Täuflinge wartet. Wer wird den Abgang vom Windfang durch eine Blechröhre mit steiler Stiege in die tageslichtlose Tiefe wagen, um sich in einem Wasserbassin untertauchen zu lassen?
Die fabrizierte Einöde, die schaudern lässt und abstößt, wird im Unterschied zur früheren Kathedrale, "Sankt Hedwig Mitte" genannt, als sei es eine Bushaltestelle. Das Netz, ein Symbol für Ziellosigkeit, Verwirrung und Gefangenschaft, das im tristen Inneren von Sankt Hedwig Mitte wuchert, zeigte sich jüngst in Oktobernächten sogar außen.
Übernehmen die Umbauverantwortlichen Verantwortung?
Nicht nur die temporäre Lichtinstallation ist verstörend. Dauerhaft wird das sinnfreie Netzdekor nun der einzige "Schmuck" neben den ansonsten kahlen Flächen des Inneren sein. Fehlt den kirchlichen Bauherren jegliches Gespür, dass sie die Peinlichkeiten nicht bemerken? Oder wollen sie krampfartig das wenige Neue betonen, sei es auch noch so plump, um ihre Verantwortung für die Blamage zu verdrängen?
Schon bald wird Heiner Koch im weiten Rund von fragenden Blicken umringt, neben einer Betonhalbkugel stehen. Da es In der leeren Halle kaum etwas Inspirierendes zu sehen gibt, erwartet man vom Zelebranten raumfüllendes Charisma, mitreißende Gesten und flammende Worte.
Bestimmt kann das einer, wie keiner – der Heiner !?
Toi, toi,toi!
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