Wie man dem Vatikan
Wünsche als Rettungsmaßnahmen verkauft
Der Papst sitzt im fernen Rom und die Kirche gründet sich
auf Glauben. Da sollte Franziskus schon glauben, was das Erzbistum Berlin über die St. Hedwigs-Kathedrale zu sagen hat, wenn man Prälat Jüsten trauen kann.
– Man
konnte nicht auf einen Bischof warten. Um das Bistum vor Schaden zu bewahren,
wurden wichtige Entscheidungen getroffen, bevor er im Amt ist.
– Es
ist schnell etwas zu unternehmen, damit die Kathedrale nicht einstürzt.
– Die
Gründungspfähle der Kathedrale müssen eilig ausgetauscht werden, (die 240 Jahre
verlässlich das Fundament der Kathedrale trugen,) sonst droht Unheil.
[Anmerkung: Das ist eine selbsterfüllende Prophezeiung – denn die Änderung der Grundwasser- und Bodenverhältnisse durch Umbaumaßnahmen würde die Tragfähigkeit tatsächlich fahrlässig gefährden.]
[Anmerkung: Das ist eine selbsterfüllende Prophezeiung – denn die Änderung der Grundwasser- und Bodenverhältnisse durch Umbaumaßnahmen würde die Tragfähigkeit tatsächlich fahrlässig gefährden.]
– Wenn
man schon die Gründungspfähle austauschen „muss“, kann man mit etwas Beton und
viel Farbe auch gleich die Kathedrale umbauen. Das wird nicht viel mehr kosten,
als die Sanierung sowieso schon verschlingt.
Der moderne Pseudo-Isidor* an der Spree?
* Pseudo-Isidor: Im 9.
Jahrhundert verfassten westfränkische Kleriker Texte, die als echte Papstbriefe
und kirchliche Rechtssätze gelten sollten. So wollte man u. a. die eigene
Stellung in der Kirche stärken. Erst im Spätmittelalter wurden die
pseudoisodorischen Fälschungen entlarvt.
Am 28. Juni 2015 wurde das 25-jährige Jubiläum der Katholischen
Akademie Berlin mit einem Festvortrag von Kulturstaatsministerin Grütters und
einem Empfang begangen. Anwesend war auch der Leiter des Katholischen Büros Berlin der
Deutschen Bischofskonferenz, Prälat Dr.
Karl Jüsten, der den Kontakt der Katholischen Kirche Deutschlands zur
Bundespolitik koordiniert. Er beantwortete Fragen von zwei Vertretern der
Freunde der St. Hedwigs-Kathedrale. Wesentliche Teile der erstaunlichen
Auskünfte, die in einer ausführlichen Niederschrift festgehalten wurden, werden
hier wiedergegeben.
Klage beim Vatikan wegen Kompetenzüberschreitung
der Vakanzleitung
In einem
Rekursverfahren, das beim Vatikan noch anhängig ist, wird erkundet, ob nach
kanonischem Recht die zwischenzeitliche Leitung in der Sedisvakanz ohne die
Entscheidung eines Diözesanbischofs zu grundsätzlichen und
die Zukunft vorbestimmenden Beschlüssen befugt war, wie die Ausgabe von 1,5 Mio.
Euro zur Vorbereitung des Bauantrages zum Umbau der Kathedrale.
Prälat Jüsten stellte auf Nachfrage fest, dass der
Diözesanadministrator so entscheiden durfte [Beauftragung von Umbauplanung vor
einem Umbaubeschluss], wenn nur dadurch Schaden von dem Erzbistum abzuhalten
war.
Nach
kanonischem Recht (Can. 428 §1 Codice di Diritto canonico) gilt, dass ein
Diözesanadministrator keine grundlegenden Entscheidungen treffen darf.
Die Regel
lautet: "Sede vacante nihil innovetur"
(Während der Bischofsstuhl leer ist, darf nichts verändert werden.)
(Während der Bischofsstuhl leer ist, darf nichts verändert werden.)
Wie stellt man nun dar, dass eine heroische
Rettungstat vonnöten ist, um akute Schädigung von dem zentralen Gotteshaus
abzuwenden, das seit 240 Jahren im Eigentum der (Pfarr- bzw.) Domgemeinde St.
Hedwig vor Schaden bewahrt war und ohne Eingriffe sicher steht?
Offizielle Angaben des
Erzbistums Berlin zum Bauzustand der Kathedrale und den Kosten einer Sanierung
Ein vom Erzbistum beauftragtes
Gutachten, das 2013 den Bauzustand dokumentierte und Grundlage des
Realisierungswettbewerb bildete, kam zu dem Ergebnis: „Der
bauliche Zustand der St. Hedwig-Kathedrale ist zurzeit weitgehend intakt.“
Die erforderliche Sanierung (Reinigung, Farbfassung, Elektrik, Heizung u. a.) wäre nach Berechnungen des Erzbistums für hochgegriffene 5 Mio. Euro ausführbar. [1]
Die erforderliche Sanierung (Reinigung, Farbfassung, Elektrik, Heizung u. a.) wäre nach Berechnungen des Erzbistums für hochgegriffene 5 Mio. Euro ausführbar. [1]
Schilderten
die Verantwortlichen des Erzbistums diese Tatsachen dem Vatikan, wären die
Vorentscheidungen der Vakanzleitung, die den Erzbischof nun bedrängen, vom
Papst wohl als Fehler erkannt worden und hätten zu einer externen Prüfung
geführt (wie beim Bauvorhaben auf dem Domberg in Limburg).
Die Horrorbotschaften vom
bevorstehenden Untergang der Kathedrale
Prälat Jüsten widersprach bisherigen diesbezüglichen
Aussagen und Gutachten des Erzbistums und meinte, die notwendige Sanierung
müsse auch eine umfassende Fundamenterneuerung der Kathedrale enthalten. Ohne
diese, die Standsicherheit rettende Maßnahme, wäre die Kathedrale nicht zu erhalten. Dann können die
wenigen Umbaumaßnahmen gleich mit erledigt werden, die die Kosten nicht
wesentlich erhöhen würden.
St. Hedwigs-Kathedrale zu Berlin in Bedrängnis _umringt von Baustellen _bedroht von Umbauplänen |
Ein taktischer Ausrutscher
Zunächst führte Prälat
Jüsten aus, dass die Umbaumaßnahmen an der benachbarten Staatsoper bereits zu
Schäden an der Kathedrale geführt hätten. Deshalb müsse man nun schnell
handeln, um dem Bestand der Kathedrale zu sichern.
Beweissicherungverfahren
erfordert den Stopp der Umbauvorbereitungen
Aus baufachlicher
Sicht erforderte diese Tatsache einen sofortigen Stopp aller Umbauvorbereitungen.
Im Interesse des Erzbistums dürfte ein langfristiges
Beweissicherungsverfahren nicht gestört werden,
um die finanzielle und bauliche Schadensregulierung dem Verursacher, der
Staatsoper, zuordnen zu können. Ansonsten verlöre das Erzbistum alle Ansprüche
auf Schadensausgleich.
Dieser Erklärungsansatz für notwendige Maßnahmen war also nicht schlüssig.
Dieser Erklärungsansatz für notwendige Maßnahmen war also nicht schlüssig.
Ein einfallsreicher Begründungsversuch
Daraufhin
argumentierte Prälat Jüsten, dass die Standsicherheit sowieso gefährdet sei,
wenn die Pfahlgründung nicht erneuert werden würde. Ob die Fragenden überhaupt
wüssten, was die Auswechslung eines einzigen Gründungspfahls kosten würde.
Dieser abrupte Argumentationswechsel verwunderte, da bis zum Februar 2015 noch nicht einmal ein Baugrundgutachten
in Auftrag gegeben war. Zu diesem Zeitpunkt konnten Informationen an den Vatikan also nicht auf fachlichen Erkenntnissen beruhen.
Der Logik-Salto: Teure Sanierung – preiswerter Umbau
Es stellt sich die
Frage nach Gründen für den kostspieligen
Umbau der baukonstruktiv intakten und liturgisch korrekten Kathedrale:
Wieso würde das
Erzbistum (dessen Verschuldung es Ende 2014 noch selbst mit 7 Mio. Euro
angab) nun etwa das 10-fache der Sanierungskosten für einen Umbau
ausgeben wollen? Kardinal Woelki bezifferte die Umbaukosten nach
Expertenschätzung auf 40 Mio. Euro. [2] Kosten zum Schutz vor Baugrundrisiken konnten wegen
nicht beauftragter Bodenuntersuchungen noch nicht enthalten sein.
Prälat Jüsten meinte,
es würde genau anders herum sein. Die Sanierung wäre das Teuerste. Der Umbau
betrifft nur ein paar ergänzende Baumaßnahmen – einige Betonierungsarbeiten
[„Das Loch muss weg!“] und ansonsten hauptsächlich Malerarbeiten. Allzuviel
würden die Farben schon nicht kosten.
Diese Ausflüchte von
Prälat Jüsten sind untauglich, da der Umfang der lt. Siegerentwurf vorgesehenen
Baumaßnahmen anhand maßstäblicher Pläne bekannt ist. Durch den Umbau sind
Abgrabungen im Baugrund bei den Fundamenten (im und neben dem Bestand)
und die fast vollständige Unterkellerung der Hoffläche direkt hinter der
Kathedrale geplant. So würde erst durch die in diesen Plänen vorgesehenen
Eingriffe in den Fundamentbereich eine Gefährdung der Kathedrale entstehen. Nur
durch eine derartige Belastung der alten, gesetzten Fundamente entstünden
Standsicherheitsrisiken, die einen enormen Aufwand für Rettungsmaßnahmen
provozieren würden.
Anschauungsobjekt für ein
absehbares Fiasko – die Baustelle der Staatsoper
Das
anschaulichste Beispiel liegt vis á vis. Die Abgrabungen im Rahmen des Umbaus
der Staatsoper hatten wesentlichen Anteil an der Bauzeitverlängerung auf
mindestens 7 Jahre und der Kostensteigung von über 160 Mio. Euro.
Für die an der
Kathedrale geplanten unterirdischen Anbauten sind Abgrabungen großen Ausmaßes erforderlich.
Beispiele in der Nachbarschaft zeigten, dass ein Umbau Grundwasserabsenkungen
nötig machen kann, die erst zur Schädigung der Jahrhunderte alten Pfähle führen
können. Die enormen Kosten für Sicherungsmaßnahmen an Fundamenten würden
demnach nicht durch die Sanierung,
sondern allein durch einen Umbau verursacht werden.
Hat das Erzbistum den Vatikan nur zur Abwehr einer Klage mit derart
abwegigen Angaben irregeleitet?
(Es wäre ein
Husarenstück, auf das geistliche Würdenträger nicht stolz sein dürften! Bischof
Tebarz-van Elst hatte einem weltlichen Richter die Wahrheit vorenthalten. Wie
ist es um die Ehrlichkeit der Vakanzleitung in Berlin gegenüber dem Papst
bestellt?)
Der Papst ist weit und
sieht es nicht.
… und die Wahrheit kommt doch ans Licht.
… und die Wahrheit kommt doch ans Licht.
Im Zentrum der Kuppel der St. Hedwigs-Kathedrale _ein Lichtblick |
Quellen
Die Fußnoten des Textes
beziehen sich auf die im folgenden aufgeführten Quellen, die zur Überprüfung
oder Vertiefung des Themas im Einzelnen nachgewiesen werden. Sie sind unter
dem Button „Weitere Informationen“ abrufbar.
[1]
Dompropst
Rother
„Herr Dompropst Rother erklärt, dass allein
schon für die Sanierung und Reinigung der Kathedrale Kosten in Höhe von 5
Millionen Euro anfallen würden.“
Diözesanrat der Katholiken
im Erzbistum Berlin_Protololl der Vollversammlung am 05.04.2014
[2]
Erzbischof
Kardinal Woelki
„Expertenschätzungen
zufolge könnte der Umbau – abhängig vom ausgewählten Entwurf – bis zu 40
Millionen Euro kosten.“
Berliner Morgenpost_02.02.2014_St.
Hedwig soll Wahrzeichen deutscher Katholiken werden_Interview mit Kardinal
Woelki
http://www.morgenpost.de/berlin-aktuell/article124457351/St-Hedwig-soll-Wahrzeichen-deutscher-Katholiken-werden.html
http://www.morgenpost.de/berlin-aktuell/article124457351/St-Hedwig-soll-Wahrzeichen-deutscher-Katholiken-werden.html
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