Eine Mitteilung des Pressesprecher des Erzbistums Berlin vom 03.04.2024 und die Aussage Erzbischofs Koch bei einem Interview anlässlich der "Segnung und Erhöhung des neuen Kreuzes auf der Hedwigskathedrale" am 03.11.2023 geben Aufschluss über die eigentlichen Ziele, die die Leitung des Erzbistums Berlin mit der jahrelangen Schließung und dem radikalen Umbau der ehemaligen Hedwigskathedrale zum Katholischen Forum am Bebelplatz verfolgt.
Repräsentationsbedürfnis und persönliche Vorteilsnahme der kirchlichen Amtsträger sind Triebfedern des eitlen und unverantwortlich teuren, zerstörerischen Umbaubauvorhabens, das in der Presse oft noch verfälschend als "Sanierung" oder "Renovierung" beschönigt wird.
1. Ein Stahlkreuz am Rande wird zur "Mitte der Kirche"?
Am 09.01.2018 hatte der Pressesprecher des Erzbistums Berlin Spekulationen über eine Entfernung des Kuppelkreuzes auf der Berliner Hedwigs-Kathedrale zurückgewiesen.
(s. katholisch.de_2018-01-09_Bleibt das Kreuz? Erzbistum gegen Spekulationen)
Am 03.11.2023 wurden dann die 2018 noch offiziell zurückgewiesenen "Spekulationen" peinliche Wirklichkeit. Anmaßend reckt sich ein äußerlich golden scheinendes Stahlkreuz über einen zentralen städtischen Platz vielfältiger Kultur (Universität, Oper, Mahnmal und Hotel), als würde dieser Stadtraum von der Kirche beherrscht.
(domradio berichtete am 03.11.2023 mit einem Video über die Installation per Autokran unter dem Titel "Neues Kreuz der Hedwigskathedrale gesegnet und erhöht").
Im wiedergegebenen Interview lobt Erzbischof Koch die Installation des neuen Kreuzes auf dem Giebel des Portikusvorbaus mit folgenden Worten :
"Als sehr bewegend, weil es nach außen dokumentiert, dass diese Kirche jetzt ihrer Vollendung voll ersteht und vor allem, weil es ein Zeichen ist. Jetzt sieht man (von) zum ersten Mal von hier unten auch vom August-Bebel-Platz, dass das eine Kirche ist, wo das Kreuz in der Mittelpunkt steht, Christus im Mittelpunkt steht. Das war vorher, als es oben in der Kuppel stand, überhaupt nicht sichtbar. Das ist jetzt sichtbar. Es passt auch ästhetisch sehr schön rein und es ist ein Zeichen, wie viel uns das wert ist, das goldene Kreuz. Das ist die Mitte der Kirche, nicht der Bau, das Kreuz."
Fotografische Ansicht der Hedwigskathedrale ohne Kuppelkreuz mit Portikuskreuz im Vergleich mit der Ansicht des Berliner Erzbischofs Koch zum Sachverhalt |
Die konfusen und verwirrenden (im gesprochenen Wortlaut verschriftlichten) Äußerungen des Bauherrn, Erzbischof Koch, werfen Fragen auf. Wie kann ein Kreuz, das nicht mehr über der Mitte der Kirche, dem Ort der Eucharistie, sondern am Rande, über der Fassade des Eingangsvorbaus steht, nach Kochs Ansicht nun "die Mitte der Kirche" bilden?
Dieses Zeichen, "das goldene Kreuz", ist Koch und der Bistumsleitung viel wert ("wie viel uns das wert ist"), "nicht der Bau".
Damit stellt sich die Frage, warum dann aber für den Bau, der nicht im Mittelpunkt steht, mindestens 66 Mio. Euro ausgegeben werden?
Ein Kreuz auf dem höchsten Punkt von Kirchen ist in der Landschaft ein Orientierungspunkt für Suchende. Beim Katholischen Forum "Sankt Hedwig Mitte" dagegen ist das Kreuz über der Platzfassade ein bewusst gesetztes Herrschaftsymbol am Rande einer Wagenburg.
Diesen Aspekt hatte Nikolaus Bernau bereits in seinem Kommentar "Das Kreuz mit dem Kreuz" in der Berliner Zeitung vom 08.03.2021 treffend analysiert: Durch das "neue große Kreuz über dem Haupteingang" würde der "bisher überaus säkulare Raum" des Bebelplatzes "symbolpolitisch zum Vorplatz der Kathedrale". Der vollständige Wortlaut dieses weitsichtigen Kommentars des Berliner Architekturkritikers in der Berliner Zeitung ist unter diesem Link auf der Internetseite der Freunde der Hedwigskathedrale einsehbar.
2. Die Illusion vom Touristenmagnet
Ein deutlicher Beleg für die eher touristischen als religiösen Ambitionen der Leitung des Erzbistums Berlin sind die Aussagen dessen Pressesprechers, Stefan Förner, die von der Katholischen Nachrichten-Agentur (kna) aufgezeichnet und am 5. April 2024 im Neuen Ruhrwort veröffentlicht wurden. Zum Ziel des Erzbistums Berlin bei der Umgestaltung der Hedwigskathedrale ist da zu lesen:
"Ziel sei es, dass die renovierte Kathedrale am Bebelplatz zu den “Top Ten” der Orte in Berlin werde, die man gesehen haben müsse, wenn man die Hauptstadt besuche, so Förner. “Wir sind offen für alle Menschen, die sich die Kathedrale angucken wollen.” Dabei fürchte man auch nicht die Konkurrenz anderer bedeutender Gebäude im Zentrum der Stadt: “Konkurrenz belebt das Geschäft. Wenn man sich den Bebelplatz auf dieser Seite wie einen Ring vorstellt, dann ist die renovierte Kathedrale da, wo sonst der Edelstein drauf ist.” (Hier ist der Link zum vollständigen Artikel des Neuen Ruhrwort vom 05.04.2024)
Die Katholische Kirche gibt Dutzende Millionen aus zur Schaffung einer vermeintlichen baulichen Attraktion, eines erhofften Hinguckers für die Hauptstadt. Dabei träumen die Kirchenverantwortlichen von einem touristischen Highlight in Berlin, das Konkurrenten die Schau stiehlt. Da ist von einem "Geschäft" die Rede und von einem "Edelstein". Das erinnert an die Geschichte vom "Goldenen Kalb". In dieser Hinsicht hat das Kirchenvermögen und allgemeine Steuermittel verschlingende Bauvorhaben tatsächlich etwas mit der Heiligen Schrift zu tun.
Wir können nur auf die Urteilsfähigkeit der Besucher hoffen, die sich nach einem ersten neugierigen Blick in das neue Innere ernüchtert und gelangweilt abwenden und die dröge Halle fortan meiden werden.
3. Resümee
Nach jahrelangen, theologisch verbrämten Ablenkungsversuchen offenbaren sich jetzt auch in den offiziellen Aussagen der Leitung des Erzbistums Berlin die eigentlichen Ziele des Radikalumbaus. Ging es nicht hauptsächlich um die Aneignung der von der Domgemeinde abgetrotzten Immobilie des Gotteshauses als konfessionsfreie Empfangs- und Veranstaltungshalle für Zeremonien, Kultur und Politik sowie den Bau einer modernen, exquisiten Wohnresidenz für die Spitzenfunktionäre des Erzbistums Berlin, wofür ein Gemeindehaus abgerissen wurde?
2023-11-03_Domradio_Neues Kreuz der Hedwigskathedrale gesegnet und erhoeht_ Przytarski segnet das riesige Kreuz, das auf den Giebel des Eingangsvorbaus gehievt werden soll |
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