Der denkmalgeschützte Innenraum der Hedwigskathedrale, 1963 von Prof. Hans Schwippert geschaffen, seit 2018 geschlossen und im Zuge eines Radikalumbaus in Verantwortung von Erzbischof Koch zerstört.

Mittwoch, 31. Mai 2023

Die ausgeweidete Hedwigskathedrale

Die Bistumsleitung lässt alle geschichtlichen Spuren herausschlagen-
Das Gotteshaus wird in einen profanen Mehrzweckbau "umgestaltet".


Aktuelle Blicke in das Innere der ehemaligen Hedwigskathedrale und auf den ehemaligen Standort des abgerissenen Anbaus des Bernhard-Lichtenberg-Hauses vergegenwärtigen, was in 4 3/4 Jahren seit ihrer umbaubedingten Sperrung mit der ehemaligen St. Hedwigskathedrale geschehen ist.

Die Kriegszerstörung durch den Brand 1943 war wesentlich weniger substanzvernichtend, wenn man einmal von dem Feuerverlust des damals noch hölzernen Kuppeldaches absieht.
Eine Besichtigung in der Karwoche 2023 bot eine schmerzliche Einstimmung auf den qualvollen Leidensweg Jesu, ohne dass dem Bauwerk jedoch eine wunderbare Erlösung bevorsteht.

Ausschabung jeglicher Spuren der Bistumsgeschichte

Von den Außenmauern und Säulen im Inneren des Gotteshauses wurde nicht nur der Putz abgeschlagen, sondern auch das rote Mauerwerk malträtiert, als wäre es von dem jahrzehntelangen Beten der Gläubigen verseucht worden. In der Kriminalistik spricht man vom "Übertöten", wenn der Täter sich nicht damit begnügt, dem Opfer das Leben zu nehmen, sondern überdies vernichten, zerschmettern und auslöschen will. 

Wenn das umgebaute Objekt in einigen Jahren als "Katholisches Forum Sankt Hedwig Mitte" wieder zugänglich sein sollte, wird ein Fluidum von Nitro, Lack und Bauchemie den Raum bestimmen. Die Künstlichkeit des geschichtslosen Designs wird sich auch mit Unmengen von Weihrauch nicht vernebeln lassen
(s. dazu Bilder aus dem Annex und ein Detail von einer Doppelstütze im Hauptkuppelraum).


Das In Fensternischen eingeferchte stählernes Hochregal wird zur Doppelstock-Sakristei

Den Annexbau gestaltete Hans Schwippert als würdevolle Sakristei in unmittelbarer Nähe des Hochaltars und auf gleicher Fußbodenebene. Beim Umbau sollten diese Funktionen zwei Geschosstreppen tiefer in das abgelegene Untergeschoss einer weitläufigen Hofunterkellerung ausgelagert werden, die aber dann gestrichen wurde. Nun ist die Platznot groß und Stapelung soll Flächendefizite ausgleichen. In den Abrisstrümmern der Fensternischen werden bereits Konstruktionen aus Stahlprofilen installiert, die den Rahmen für zweistöckige Umkleidekabinen des Liturgiepersonals in den engen Nischen bilden. Diese billigen Stahlstrukturen werden wohl später verborgen und mit Verkleidungsmaterialien kaschiert.
Im Ergebnis wird im Annex um einen zentralen Kuppelraum ("Sakramentskapelle") ein Ring aus doppelstöckigen Umkleideboxen für Zelebranten  und Ministranten an zwei schmalen Gängen in verschiedenen Ebenen aufgefädelt. Den Charme eines doppelstöckigen Eisenbahnwaggons wird die doppelgeschossige Sakristei ausstrahlen. Doch Waggons haben bequemere Gänge, da sie kürzer und nicht gebogen sind. Die Erschließungstreppen werden zu turbulenten Begegnungen führen, wodurch die Messvorbereitung des öfteren sehr lustig sein dürfte (s. dazu Bilder der Fensternischen des Annex-Baus mit eingestellten Stahlkonstruktionen, sowie die Querschnitte der Genehmigungsplanung und Eisenbahnwaggons im Vergleich).



Bohrkern-Mikado im Wasserloch vor Gastanks

Der stabile, auf wasserdichtem Keller gegründete Anbau am Bernhard-Lichtenberg-Haus, war ein moderner Stahlbeton-Skelettbau, der bestens für funktionale und gestalterische Veränderungen geeignet war. Die erhaltungswürdige Bausubstanz wurde gegen das Gebot der Nachhaltigkeit durch Abriss vernichtet. Der Abbruchkrater füllt sich mit Wasser, das widerstandsfähige Stahlbetonfundament wird mit kostspieligen Kernbohrungen perforiert, um restlos tilgen zu können, was besser zu nutzen gewesen wäre. Die Ratlosigkeit der Zertrümmerer spiegelt sich im chaotischen Zustand des gefluteten Abbruchloches. Im Hintergrund erscheint die inzwischen kreuzlose Doppelkuppel der ehemaligen Kathedrale wie ein vorbeiziehender Flüssiggastanker (s. Bilder des Abbruchkraters von der Französischen Straße gesehen).


Grundwasserabsenkung gefährdet die historische Bausubstanz der ehemaligen Hedwigskathedrale

Der 1743 begonnene Bau der ursprünglichen Hedwigskirche verzögerte sich wegen des problematischen Baugrunds jahrelang. Nur mit Hilfe der von Friedrich dem Großen geschenkten Eichenholzstämme konnte eine Pfahlgründung bis hinab auf tief liegende tragfähige Bodenschichten gelingen. Solange das Holz im Grundwasser unter Luftabschluss ist, bleibt die Zellstruktur stabil und frei von Fäulnis. Nur ununterbrochene Feuchthaltung der Holzpfähle hat über Jahrhunderte die Stabilität des Fundaments der Hedwigskirche gewährleistet.
Beim Umbau der benachbarten Staatsoper wurde deshalb eine Grundwasserabsenkung ausgeschlossen, um die Holzstämme nicht kurzzeitigem Luftkontakt auszusetzen, der zur Fäulnis des organischen Materials führen und damit die Standsicherheit der Hedwigskathedrale gefährden würde. Es wurde verantwortungsbewusst vorgegangen, wenn auch der ingenieurtechnische Aufwand sehr hoch war. Manche Bauarbeiten an der Staatsoper mussten unter Wasser von Tauchern ausgeführt werden. Der Schutz der Hedwigskathedrale hatte Priorität.

Weniger verantwortungsvoll geht der seit 2016 erbbauberechtigte Nutzer der Hedwigskathedrale, der Berliner Erzbischof Koch, mit dem ihm anvertrauten Bauwerk um. Nach dem unnötigen und umweltschädlichen Totalabriss des Neubauteils des Bernhard-Lichtenberg-Hauses ist eine neue Gründung für einen Ersatzneubau erforderlich, die unterhalb des Grundwasserspiegels liegen wird. Ohne Rücksicht auf die sensible Holzpfahlgründung der benachbarten Kathedrale wird für Abriss und Ersatzneubau mit einem Pumpsystem das Grundwasser abgesenkt. Mögliche Risse in der historischen Bausubstanz werden offenbaren, ob die auf Eichenstämmen gegründeten alten Fundamente nachgeben und der Kirchenbau Schaden nehmen wird.

Unabhängig davon ist das kulturelle Desaster durch die mutwillige Vernichtung von Kulturerbe, für die das Erzbistum Berlin verantwortlich ist, längst eingetreten.


1 Kommentar:

  1. Darf ein Erbbaurechtsnehmer alles mit den gepachtet Vermögenswerten machen ?
    Das juristische Konstrukt Erbbaurechtsvertrag ist meines Erachtens auch ungeeignet - da der Erbbaurechtsnehmer das Grundstück ja nicht entwickelt und bebaut. Wer soll wenn die Schäden an der Kathedrale dann tatsächlich eintreten, dafür verantwortlich gemacht werden ? Ist das dann Gottes Wille ?
    Ich verstehe es nicht - was in Berlin möglich ist
    Aber selbst der zuständige Senator für Kultur und EuropaAngelegnheiten ist ja nicht mehr im Amt
    Glück gehabt - Hr. Dr. Lebererkrankungen.

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