Der denkmalgeschützte Innenraum der Hedwigskathedrale, 1963 von Prof. Hans Schwippert geschaffen, seit 2018 geschlossen und im Zuge eines Radikalumbaus in Verantwortung von Erzbischof Koch zerstört.

Mittwoch, 31. Dezember 2014

Er redete vom "Loch" und es blieb nur ein "Fleck"

Kardinal Woelkis Hinterlassenschaft in der St. Hedwigs-Kathedrale zu Berlin – ein Rückblick

In den drei „Lehrjahren [1] [2] [3], wie man in Köln seinen kurzen Aufenthalt in der Berliner Diaspora nennt, wurde vieles angestoßen. Dabei kann auch immer einiges zu Bruch gehenAußerdem verursacht eine Ausbildung natürlich Kosten
Für eine Übungsaufgabe wurden 800.000 Euro [4] ausgegeben. Das Holzmodell dieses Projekts ist sogar noch im Gotteshaus zu besichtigen. Einzelnen gefällt es so gut, dass sie für zusätzliche 1,5 Mio. Euro [5] daran weiter basteln möchten (s. Pressemeldung des Erzbistums vom 10. 12. 2014 [5]).

Was kam der Kathedrale nun konkret zugute?


„Im Dezember 2013 wies der damalige Erzbischof die Gläubigen in seiner Predigt auf eine helle Stelle in der Kuppel oberhalb der Orgel hin. Er hatte eine kleine Fläche reinigen lassen, um deutlich zu machen, wie viel Staub sich in fast 50 Jahren angesammelt hatte, in denen die Kathedrale nicht saniert worden war. Wie wirkt man der Verschmutzung entgegen?

Ein Witz empfiehlt zur Entfernung eines Flecks auf einem Kleidungsstück  eine Schere.

Was war hier zu tun? Der erstaunten Gemeinde wurde bekanntgegeben, dass statt der überfälligen Pflege und Sanierung der Kathedrale, ein Wettbewerb zur baulichen Umgestaltung das Problem lösen wird. Alle Vorbereitungen seien bereits abgeschlossen. Schon bald würde ein Entwurf prämiert werden, der Pläne für einen Umbau zeigen wird.

Dies war kein Witz. Der Erzbischof Kardinal Woelki entschied sich tatsächlich für eine „Sanierung“mit der Brechstange.“ [6]  

Ein knapper Quadratmeter der Decke wurde bisher gesäubert, allerdings nur zu Demonstrationszwecken. Mehr Pflege ward dem ehrwürdigen Gotteshaus kaum zuteil. So wird der Fleck in der Kuppel die stärkste sichtbare Erinnerung an den nach Köln zurückgekehrten Kardinal sein.

„Das Loch" und die Suche nach der Wahrheit


In einem Interview der Berliner Zeitung wurde der damalige Erzbischof gefragt:
„Haben Sie bei Ihren Umbauplänen das Gefühl des Verlusts […] unterschätzt, das Maß an Kränkung auch, die Ihre Rede vom "Loch" bedeutete?“
Kardinal Woelki antworte:
„Das Kränkende daran war mir anfangs nicht bewusst, weil mir gesagt worden war, alle in Berlin sprächen nur vom "Loch" - einem Begriff, den ich überhaupt erst hier kennengelernt habe. "Okay, Berliner Schnauze", habe ich gedacht. Dann hat man mir aber erklärt, dass das abwertend ist und es sich korrekt um "die Öffnung zur Unterkirche" handelt.“ [7]

Dagegen war es seine inzwischen pensionierte Kölner Dombaumeisterin, Barbara Schock-Werner, die mit dem platten Ausdruck "Loch" zuerst die Kathedrale der Berliner Katholiken diffamierte. [8] (Details dazu finden sich in einem anderen Beitrag dieser Internetseite. [11])

„ … alle in Berlin sprächen nur vom "Loch" - einem Begriff, den ich überhaupt erst hier kennengelernt habe.“ [7] Die Behauptung des Geistlichen, den kränkenden Begriff erst in Berlin kennengelernt zu haben, macht doch sehr stutzig, da man vor seinem Amtsantritt das Wort in diesem Zusammenhang hier nicht verwendete. [9]  
War das nur eine Gedächtnis- oder doch eine Wahrheitslücke des ehemaligen Kölner Weihbischofs Woelki, der noch nicht hoch betagt ist? Dabei hat er die Erfinderin der verletzenden Bezeichnung „das Loch“ für den Abgang zur Unterkirche der St. Hedwigs-Kathedrale aus seiner Kölner Zeit sicher nicht vergessen. So wurde sie in die gut dotierte Jury des Wettbewerbs eingeladen. Denn man wusste schon vorher, dass die ehemalige Dombaumeisterin Schock-Werner den Wiederaufbau für „komplett verhunzt“ hielt und von einem „völlig hanebüchenem Loch in der Mitte“ [8] schwadronierte. War Kardinal Woelki die Berufung einer derartigen Stimme in das Preisgericht nach nur zwei Monaten wieder entfallen?

„Kölsche Jung“ [3] und Berliner Schnauze"


»Okay, Berliner Schnauze«, habe ich gedacht.“ [7] Sollte diese Bemerkung des Erzbischofs ein Scherz für die Medien sein oder lediglich eine ablenkende Ausrede? Ein kurzes Gespräch mit Gläubigen seiner Diözese [9] hätte die abwegige Bezeichnung der Öffnung vermieden. Da der Kardinal sie trotzdem weiter verwendete, wird „das Loch“ fortan immer mit dem Namen „Woelki“ verbunden bleiben. Seine ehemalige Dombaumeisterin muss die Urheberrechte wohl nun mit ihm teilen.

Den Hinweis des Kardinals auf die Berliner Mundart haben die Hauptstädter natürlich gern aufgenommen und auf ihre eigene Art geantwortet. In der für Berlin typischen Weise wurde dabei eine Charakterisierung des Umbauplans [10] aufgenommen und in einer lustigen Bildkarte mit ernster Aussage verarbeitet.


Fundstück: Eine Bildkarte greift die Anspielung Kardinal Woelkis an die "Berliner Schnauze" auf und formuliert die Haltung vieler Berliner zu seinem Projekt zur Schließung des von ihm immer wieder thematisierten "Lochs"






Quellen
Die Fußnoten des Textes beziehen sich auf die im folgenden aufgeführten Quellen, die zur Überprüfung oder Vertiefung des Themas im Einzelnen nachgewiesen sind.  Sie sind unter dem Button „Weitere Informationen“ abrufbar.

Montag, 29. Dezember 2014

Macht das Haus meines Vaters nicht zur Markthalle!

Jesus reinigte den Tempel
Johannes berichtet im zweiten Kapitel seines Evangeliums (Verse 13 bis 16), wie Jesus den Tempel von unangemessener Nutzung reinigte. Er vertrieb Geldwechsler und Händler, die dort Geschäfte machen wollten, mit den Worten "macht das Haus meines Vaters nicht zur Markthalle!" Joh. 2.16.

Braucht auch die St. Hedwigs-Kathedrale eine Tempelreinigung? (Schnorr von Carolsfeld, 1860)


Werbung und Geldtransaktionen in der Kathedrale
Im Juli 2014 waren die 15 Beiträge zur zweiten Phase des Realisierungswettbewerbs in der Kathedrale ausgestellt. Seit August 2014 wurde in der nördlichen Nische des Gotteshauses, umrahmt von Bild- und Schrifttafeln, das zum Sieger gekürte Modell für einen Umbau des Kirchenraumes präsentiert. Ein großer Aufkleber am Sockel fordert zu Geldspenden „für die Renovierung der Kathedrale“ auf. 

Spendenwerbung zu einer "Renovierung" mit einem Umbaumodell in der St. Hedwigs-Kathedrale seit August 2014


Welche Haltung hat die Domgemeinde zu dieser Nutzung des Andachtsortes?
Im Kirchenvorstand der Domgemeinde St. Hedwig, die Eigentümerin der St. Hedwigs-Kathedrale ist, wurde ein Antrag zur Verlegung dieser Ausstellung beraten. Es wurde vorgeschlagen, Modell und Tafeln, die Anlass zu Gesprächen, Diskussionen und Geldtransaktionen sind, an einem Ort zu präsentieren, wo dies besser möglich ist, ohne dass sich betende Gläubige in ihrer Andacht gestört fühlen könnten. Das Kathedralforum im benachbarten Bernhard-Lichtenberg-Haus böte den angemessenen Rahmen und eine anregende Atmosphäre, um bei einer Tasse Kaffee ins Gespräch zu kommen. Angeführt von Domvikar Marra, der in der Amtszeit des damaligen Berliner Erzbischofs Woelki zum Pfarradministrator ernannt worden war (Mai 2012), wurde der Antrag im Kirchenvorstand abgelehnt. Modell, Ausstellung und Spendenwerbung verblieben in der Kathedrale.
Umdekorierung der Werbenische in der Kathedrale
Zu Weihnachten 2014 wurde eine Umdekorierung der Nordnische des Kirchenraumes vorgenommen. Das auf einem Sockel erhöht stehende zentrale Modell und zwei flankierende Banner mit Texten und Bildern bilden die moderne Variante eines Triptychons, dem typischen Andachtsbild in vielen Kirchen.

Triptychon-Beispiel: Das Jüngste Gericht, Hans Memling, 1470















 
Der moderne Triptychon in der St. Hedwigs-Kathedrale – eine Werbenische im Gotteshaus seit 2014

Doch bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass die Installation keinen religiösen, sondern einen anderen Zweck verfolgt. Nach wie vor steht das Modell auf einem Sockel, der eine große Spendenbox bildet. Dort prangt ein Werbeaufkleber, der mit einem farbigen Pfeil und der Aufforderung zur Spende „für die Renovierung“ bedruckt ist. 

Fehlversuch zur Rechtfertigung
 der Geldverschwendung
in  der St. Hedwigs-Kathedrale seit 2014 
Der Rechtfertigungstext für Planungsprobleme

Die rechts davon aufgestellte Tafel enthält eine 42-zeilige Liste von Rechtfertigungen, Versprechungen und Änderungsankündigungen der Planer. Bei dem durchgeführten Realisierungswettbewerb ist der Siegerentwurf auszuführen. Offensichtlich gibt es diverse Gründe, die das ausschließen. Da braucht es viel Wortakrobatik, um Argumente zu konstruieren, die weitere Kosten in Höhe von 1,5 Mio. Euro nur für Planungen, Änderungen und Fehlerkorrekturen rechtfertigen.

Am Ende des langen Textes stellt sich der von Kardinal Woelki beauftragte und von Prälat Przytarski für die Zeit der Sedisvakanz bestätigte Koordinator des Erzbistums für die Sanierung und Umgestaltung der Kathedrale, Dompropst Prälat Rother, als Leiter des Projekts vor. Er versichert, im Gespräch bleiben und auf Fragen, Anregungen sowie Kritik eingehen zu wollen. Interessierte müssen längere Zeit im Umgang hinter den Kirchenbänken stehen, wenn sie den gesamten Inhalt der Tafel erfassen wollen.



Animierung zur Mobilfunknutzung    

Die Gläubigen und Besucher werden vom Erzbistum
mit die Werbung aufgefordert, im Gotteshaus
zu Simsen, während andere beten möchten.
Links neben der Glasvitrine des Modells springt den Besuchern ein Werbebanner ins Auge, das zur Benutzung ihres Mobiltelefone aufruft. Besonders junge Besucher und Touristen werden sich angesprochen fühlen, die Buchstabenfolge "HEDWIG" in die Tastatur ihres Smartphones zu tippen. Sobald der Name der Patronin der Kathedrale als SMS an die angegebene Nummer verschickt wurde, wird das Konto des Absenders automatisch mit 5 Euro zuzüglich Gebühren belastet.
Die Installation ist in dieser Nische sehr werbewirksam platziert. Eintretende Besucher werden von den Lichtpunkten der Kerzen unter dem Andachtsbild der Gottesmutter Maria in der nächsten und der Krippe in der übernächsten Nische angezogen. Auf dem Weg zu Besichtigung und Fürbitte nimmt man die Werbung im Vorübergehen schon wahr. Nach dem Gebet trifft die Spendenaufforderung auf dem Rückweg direkt in das mild gestimmte Herz des Gläubigen.
Neuerdings wird mit dieser schon lange von Erzbistum verbreiteten Werbung, zur Unterstützung von "Umbau und Sanierung" aufgefordert.
Auf der Internetseite "www.erzbistumberlin.de" wird zeitgleich eine Onlinespende für die "
Sanierung und Umgestaltung der St.
Hedwigs-Kathedrale" eingeworben. Die Spendenwerbung per SMS auf dieser Seite fordert das Geld ganz schlicht für "uns". Als das Erzbistum die Spendenaktion per SMS im Mai 2014 medial verbreitete, wurde das Geld noch für den "Erhalt der Berliner St. Hedwigs-Kathedrale" gefordert. Als Verwendungszweck gab man an: "Das Erzbistum Berlin schafft eine neue Finanzierungsmöglichkeit für die anstehende Sanierung der St. Hedwigs-Kathedrale." Was mit ihrem Geld tatsächlich geschieht, können die Spender nicht mehr beeinflussen. Eine Sanierung steht jedenfalls nun nicht mehr an erster Stelle. 

Unwissenheit oder Täuschung?
Unter dem Modell vom Umbau des Innenraums der Kathedrale nach dem Abriss des bestehenden intakten Innenausbaus steht die Spendenaufforderung des Erzbistums Berlin:
"FÜR DIE RENOVIERUNG DER KATHEDRALE BITTEN WIR UM IHRE HILFE – BITTE SPENDEN SIE" Der große Pfeil weist auf den Schlitz zum Geldeinwurf.

Unter dem Modell zum Umbau der Kathedrale wird Geld
für die Renovierung eingeworben, die gar nicht geplant ist.
Eine kurze Internet-Recherche würde selbst baufachlich Unkundigen verdeutlichen, dass "Renovierung" der falsche Begriff dafür ist, was mit der St. Hedwigs-Kathedrale geschehen soll. Bei einer Renovierung geht es um die Instandsetzung "von schadhaft, unansehnlich gewordenen Gebäuden" (lt. Duden). "Man beseitigt Schäden aufgrund von Abnutzung durch den gewöhnlichen Gebrauch und stellt den ursprünglichen Stand der Nutzbarkeit wieder her" heißt es z. B. bei Wikipedia weiter.
Hat bei den Verantwortlichen des Erzbistums niemand den Sachverstand, den tatsächlich geplanten Umbau von einer Renovierung zu unterscheiden?

Gerade Geistliche sollten doch in der Ausbildung und im Berufsalltag Kenntnisse der lateinischen Sprache erworben haben, die eine Herleitung des Begriffs von "renovare" für "erneuern" ermöglichen würden.

Oder ist es nicht Unwissenheit, sondern Kalkül, das die Verantwortlichen veranlasste, den irreführenden Begriff zur Spendenwerbung zu nutzen? Das ist in der Bischofskirche eines Erzbistums kaum vorstellbar. Es wäre eine bewusste Täuschung gutgläubiger Kirchgänger und Besucher, die keine baufachlichen Kenntnisse haben und dem geschriebenen Wort ihrer Seelsorger in einem geweihten Gotteshaus vertrauen. Sollte ihre Erwartung auf Wahrheit an heiliger Stätte derart missbraucht werden? 



Es gibt eine Bildkarte, die zwar plakativ, aber kurz und prägnant den Widerspruch zwischen Tatsachen und Werbung zusammenfasst.


Fundstück: Eine Postkarte thematisiert den Widerspruch zwischen Renovierung und Teilabriss mit Umbau:
   Umbau ist keine "Renovierung" – Spendenaufruf in der St. Hedwigs-Kathedrale als Etikettenschwindel 








Die Hoffnung bleibt
Den Gläubigen der Erzdiözese Berlin bleibt die Hoffnung auf einen vom Heiligen Geist erfüllten, klugen neuen Erzbischof, der dem Beispiel Jesu folgt und der Kathedrale ihre Würde zurückgibt. Mit Gott und Glück könnte er entscheiden, dass nach der Fehlnutzung auch die Pläne, die Kathedrale zu einer Mehrzweckhalle umzubauen, beendet werden.